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Mit Krawatte auf der Herkules


Stilvoll über den Acker mit 50 Kubikzentimetern
Mofarennen

Im offenen Eichenboot auf der Nordsee unterwegs
Dampferbörte

"Es blutet einem schon das Herz."
Pferdeauktion

„Wir alle scheitern irgendwann.“
XXL-Paperboot kentert im Fluss

(Mofarennen am Götzberg, 2022)

Frank Bölter in der Krückau

Wer durchhält, wird jedenfalls nicht Letzter

Motorsport: knatternde Zweitakter, Überholmanöver in den Kurven, Männer in Rennkluft drehen Runde um Runde. Und mittendrin fährt Thomas Haecks aus Kattendorf scheinbar seelenruhig über den Parcours. Er trägt eine schwarze Anzughose mit Nadelstreifen, weißes Hemd mit Krawatte und Weste und einen altmodischen Sturzhelm. Sein Gefährt ist nicht frisiert, sondern als einziges hier im Originalzustand, angemeldet und für den Straßenverkehr zugelassen.
111 Minuten haben die Fahrer beim Mofarennen in Götzberg Zeit, um die Strecke auf einem abgeernteten Getreidefeld möglichst oft zu absolvieren; Sieger ist derjenige mit den meisten Runden. Gefahren wird auf Mofas, also mit 50 Kubikzentimetern Hubraum und Pedalen. Zündapp, Herkules, KTM – die Maschinen, die in den 1980-er Jahren die Herzen der 15-jährigen Jungs höher schlagen ließen. Und schon damals frisiert wurden, um schneller zu fahren als mit den erlaubten 25 Stundenkilometern.
30 Jahre später wollten zwei inzwischen groß gewordene Jungs es nochmal wissen, wessen Mofa schneller fährt. So entstand das Rennen am Götzberg, das am Sonnabend zum 13. Mal ausgetragen wurde. Inzwischen haben die Veranstalter für die Organisation einen Verein gegründet, die Alstermotoren Wakendorf II e. V. Dessen zwei Dutzend Mitglieder kümmern sich um das ganze Drumherum inklusive Party nach dem Rennen. „Bei uns ist jeder gern gesehen“, die Anmeldung für die 111 Minuten ist offen, erklärt Organisator Marc Hammann. 15 Fahrer sind in diesem Jahr dabei.
Thomas Haecks, der Mann im Anzug, fährt zum dritten Mal mit. Nach gut einer Stunde biegt er von der Strecke ab, seine Tochter Sandra Haecks aus Bad Bramstedt und seine Partnerin Maike Leinbaum aus Oersdorf bringen ihm etwas zu essen und zu trinken. Mitten im Rennen legt er erstmal eine Pause ein. „Für mich steht der Spaß an erster Stelle“, erzählt er. Mit dem Verlauf ist er bisher zufrieden: „Die Maschine hält durch.“ Er besitzt zwei Herkules-Mofas; in diesem Jahr benutzt er diejenige mit Zweigang-Schaltgetriebe, die kommt besser die Steigungen hoch als die Automatik-Version, hat Haecks festgestellt.
Die Geschichte mit dem Anzug erzählt er auch noch: 2018 wollte er unbedingt beim Mofarennen mitfahren, chauffierte aber am gleichen Tag mit einem Trecker seine Tochter durch ihren Junggeselllinen-Abschied. Die Tour zog sich länger als gedacht, und so musste er direkt im Anzug zum Götzberg und starten. Seitdem fährt er die 111 Minuten in Nadelstreifen und avanciert damit zum Publikumsmitglied.
Trotz seiner gemütlichen Attitüde: „Irgendwann wird man verbissen, ich will ja auch ein paar Runden fahren“, sagt er, bevor er wieder startet. Letzter wird er heute nicht, obwohl er mit 55 Runden weit hinter dem Sieger mit 128 Runden liegt. Aber zwei Teams scheiden komplett aus, andere kämpfen mit technischen Problemen und müssen ihre Maschinen langwierig reparieren. Einfach durchhalten, das genügt schon, um nicht hinten zu liegen.
Jan Berndt hat gerade am Stand der „Schrauberfreunde 49 ccm“ das Mofa seines Fahrers wieder in Gang gesetzt. „Zu fett angemischt“, erklärt er den Aussetzer: Im Vergaser saß für die heiße Luft die falsche Düse, darum ist der Motor mitten im Rennen abgesoffen. „Jetzt könnten wir den Luftfilter abnehmen, aber bei dem Staub in der Luft ist sie dann tot“, fachsimpelt der junge Mann aus Elmshorn.
Sein fünfköpfiges Team fährt sein erstes Mofarennen. Vor einigen Wochen sahen sie eins in Jagel, kauften eine gebrauchte KTM Foxi, Baujahr 1988, überholten den Motor und kamen nach Götzberg. „Sonst fahren wir Motocross“, darum gebe es hier noch viel zu lernen. Beim nächsten Mal wird Jan Berndt einen kompletten Satz Düsen für den Vergaser mitnehmen, um auf alles vorbereitet zu sein. „Motortechnisch sind wir ziemlich schwach aufgestellt, aber wir haben einen guten Fahrer“, tröstet er sich.
Vielen Fahrern sieht man an, dass sie häufiger Motorradrennen fahren: Kurventechnik und Schutzkleidung von den Stiefeln über den Schutz für den Oberkörper bis zum speziellen Helm. Die Rennfahrer machen den Sieg unter sich aus, aber die anderen gewinnen viele Zuschauerherzen. „Unsere Favoriten sind die Oldschool-Mofas“, sagt Paule: diejenigen ohne Sitzbank, die aussehen wie ein Fahrrad mit Motor und Tank. Paule ist mit ihrem Partner Tim extra fürs Rennen aus Flensburg angereist. Tim hat früher auch sein Mofa frisiert, 60 fuhr die Maschine, erzählt er.
Susi heißt das Mofa, das von Schrauber Timo betreut wird: „Der hat da schon ordentlich was dran gedreht“, erklärt Lea Steinfels aus Wakendorf II, eine der beiden Fahrerinnen im Team „Susis Schnitten“. Die Frauen dürfen sich als einzige abwechseln, bei den Männern muss ein Fahrer die ganze Distanz absolvieren.
„Besser als gedacht“ lief es für Lea Steinfels in ihren ersten 40 Minuten. Sie hatte Befürchtungen, dass es mit ihrer Schutzkleidung zu heiß würde, aber der Fahrtwind kühlte sie ab. „Die letzten werden wir nicht und das beste Frauenteam“, gibt sich Steinfels kämpferisch bei ihrem dritten Götzberg-Rennen.
Ihre Partnerin Kristina Wilkens hat vor zwei Wochen zum ersten Mal auf einem Mofa gesessen. Sie ist als Ersatz für Steinfels’ Ko-Pilotin eingesprungen: „Ich kann sie ja nicht hängen lassen.“ Das Rennen macht ihr Spaß, sie spekuliert schon fürs nächste Jahr: „Dann müssen die Regeln geändert werden, damit die Frauen auch zu dritt fahren dürfen.“

Frank Bölter in der Krückau

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