(Eine
Züchterin gibt ihr Pferd in eine Auktion, 2022)
50.000
Euro für "La Douce"
Es
blutet einem schon ein bisschen das Herz, sagt Deike Ahsbahs.
Insbesondere bei diesem Pferd. La Douce,
die Süße, heißt die vierjährige, dunkelbraune
Stute. Deike Ahsbahs hat ihre Geburt miterlebt und sie aufwachsen
sehen, sie hat sie selbst angeritten.
Heute heißt es Abschied nehmen. Seit vier Wochen steht die
junge Stute nicht in ihrem heimischen Stall in Bokel, sondern in
Elmshorn beim Holsteiner Verband. Vier Wochen lang wurde sie von
fremden Leuten trainiert, taxiert, präsentiert und Probe geritten.
Jetzt ist es soweit: La Douce wird heute als viertes Pferd bei der
jährlichen Elite-Reitpferdauktion des Verbands angeboten. Warum
Deike Ahsbahs ihr Pferd verkauft? Weil ich davon lebe.
Im Stall, den sie mit ihrem Vater betreibt, stehen 20 eigene Pferde.
Dazu kommen Pensionspferde, außerdem bietet Deike Ahsbahs
Jungpferdeaufzucht an. Ihr Umgang mit Pferden hat zwei Seiten, erklärt
sie. Die Emotionen und: Natürlich ist es auch Geschäft.
Nicht in jedem Jahr, aber immer wieder bringt sie eins ihrer Pferde
zur Holsteiner-Auktion.
Rund 7.000 Züchter sind im Holsteiner Verband organisiert,
Elmshorn ist die Zentrale. Der Verband ist in Körbezirke aufgeteilt;
elf liegen in Schleswig-Holstein, je einer in Europa
und Nordamerika. Das Springen ist die Domäne der Holsteiner,
in der Dressur werden sie seltener eingesetzt.
Bevor ein Pferd zur Auktion zugelassen wird, inspizieren Vertreter
des Verbands das Tier. La Douce hat schon eine Stuten-Leistungsprüfung
absolviert, eine Staatsprämie als Auszeichnung
kassiert und an drei Springturnieren teilgenommen.
Die Auktionshalle ist riesig. Auf der einen Seite die Pferde, die
viel Platz für eine Vorführrunde im Galopp haben. Auf
der anderen die Tribüne, besetzt von einigen Hundert Interessenten,
Käufern, Züchtern, Zaungästen. Die Vorführfläche
wird von Scheinwerfern illuminiert, der aktuelle Stand der Auktion
wird auf einem großen Monitor angezeigt. Das Startgebot liegt
bei 8.000 Euro.
Ein Teil der Halle ist als VIP-Bereich abgeteilt mitsamt Tischen
inklusive Service. Die wichtigen Gäste sitzen gut ausgeleuchtet
direkt vor dem Auktionator, ihnen traut der Verband ernste Kaufabsichten
zu.
Deike Ahsbahs verfolgt das Geschehen von der Tribüne: Es
ist total spannend, wer sie ersteigert. Viele Käufer
kennt sie nach der langen Zeit im Verband. Aber seit Corona wird
auch online geboten, das hat die Kreise über das Vertraute
hinaus erweitert. In Italien sind Holsteiner seit Langem begehrt,
andere gehen nach Großbritannien oder in die Schweiz.
Deike Ahsbahs hat einen Mindestpreis für La Douce im Hinterkopf;
wie hoch der liegt, verrät sie nicht. Aber falls ihr die Gebote
zu niedrig sind, wird sie ihre Stute zurückkaufen, sprich:
selbst mitbieten. Eine Auktion ist eine Wundertüte,
erklärt sie. Falls sich zwei Bieter in ein Pferd verguckt haben,
kann der Preis alle Erwartungen übertreffen.
Die Gebote für La Douce steigen schnell, die 10.000 und die
20.000 sind bald übersprungen, die 30.00 flott erreicht. Das
Tempo verlangsamt sich, aber der Auktionator kitzelt die Bieter
noch. Am Ende wird La Douce für 50.000 Euro in die USA verkauft.
Inklusive Steuer, Gebühren und Versicherung muss der Käufer
fast 65.000 Euro bezahlen. Insgesamt werden an diesem Nachmittag
31 Jungpferde für zusammen knapp eine Million Euro versteigert.
Ein paar Minuten später ist Deike Ahsbahs auf dem Weg in den
Stall, La Douce ein letztes Mal die Nase kraulen. Der Abschied fällt
ihr jedes Mal schwer: Man gewöhnt sich nicht daran.
Der Preis liegt noch ein bisschen über dem, was sie sich erhofft
hatte. Freude, Trauer? Beides, sagt sie und danach:
alles gut. Sie hofft, dass sie irgendwann wieder von
La Douce hört. Am liebsten, wenn sie bei Springturnieren Erfolge
feiert.
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