(Kunstaktion
von Frank Bölter: Bis zum Ende der Welt, 2019)
Untergehen
mit Stil
Wir alle scheitern
irgendwann, stellte Frank Bölter fest. Er hatte das gerade
mit Stil getan: Ohne eine Miene zu verziehen, war der Kölner
Künstler, gekleidet in einen dunkelblauen Anzug samt weißem
Hemd und Schlips, gerade mitsamt seinem Papierboot in der Krückau
untergegangen. Untergehen auf originelle Weise, mit Stil,
das gehört zu seinem Projekt: Bis zum Ende der Welt,
das er als Performance am Sonnabendnachmittag in Elmshorn auf der
Krückau aufführte.
Bölter kam mit einem riesigen Bogen Kunststoff, dem Material,
aus dem Getränkekartons hergestellt werden, und einer Faltanleitung
für ein Papierboot auf den Pott-Carstens-Platz. Dort erwarteten
ihn Vertreter des Elmshorner Industriemuseums, in dessen Reihe:
773 Schritte durch die Zeit die Aktion gehört,
sowie Mitglieder des Kunstvereins und ein paar Dutzend Neugierige,
insgesamt mehr als 100 Männer, Frauen und Kinder.
Mit seiner unaufdringlichen Art spannte Bölter alle mit ein,
ohne den Durchblicker zu geben: Faltet ruhig nochmal zurück,
vielleicht hat jemand eine Idee, schlug er vor, als das Projekt
zwischendurch hakte. Kinder krochen in das halbfertige Boot, um
es auszubeulen, Erwachsene befestigten mit Kabelbinder einige Rundhölzer
am Plastik, die die Kanten aussteiften. Alle zusammen trugen das
Boot 50 Meter zur Apotheke, dort gab es Strom für die Heißluftpistole
zum Verschweißen. Als es regnete, wurde kurzerhand die Anlieferrampe
eines Supermarktes zum Bauplatz unter Dach.
Meike Semmler aus Raa-Besenbek wollte eigentlich einen Blumenstrauß
kaufen, aber nun arbeitete sie zwei Stunden lang mit: Ich
habe ein bisschen mit umgedreht, geknickt, gestützt und überlegt,
zählte sie auf. Semmler war fasziniert von Bölters Idee:
ein Papierschiff zu basteln, das wirklich fährt und wo
jemand einsteigt!
Die Kunstvereinsvorsitzende Christel Storm hatte Sekt zum Anstoßen
mitgebracht. Nach dem Schluck ging es über einen kleinen Schwimmsteg
in die Krückau. Dort wartete schon ein Kanu des Pfadfinderstamms
Aver Liekers. Bölter und der zehnjährige Fiete
Wohlers stiegen ins Papierboot, die Pfadfinder übernahmen die
Schleppleine und paddelten los. Das ungewöhnliche Gefährt
glitt schief, aber trocken über die Krückau flussauf in
Richtung Hafen. Sogar die Klappbrücke öffnete sich mit
Tuten und Klingeln für den Schleppverband. Aber so weit kamen
sie gar nicht: Das Papierschiff blieb nach 50 Metern an einem Dalben
hängen, schlug quer und versank unter großer Anteilnahme
der Zuschauer am Ufer. Fiete Wohlers stieg ins Schlauchboot der
DLRG um, Frank Bölter stapfte zu Fuß durch den Schlick
ans Ufer. Seine Schuhe blieben dabei im Modder stecken. Das Papierschiff
wird geborgen und im Pavillon des Kunstvereins ausgestellt, versprach
Christel Storm.
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